Januar 18

Mythen rund um Gebärdensprachen

Ich habe mir überlegt, was ich auf meinem Blog schreiben könnte, über meine Erfahrungen mit Slowly vielleicht oder über das Schreiben im Allgemeinen… aber dann fiel mir etwas anderes ein: Gebärdensprachen. Ich studiere seit etwa 2 Jahren Gebärdensprachen an der Universität und habe viel gelernt. In erster Linie habe ich gelernt, dass es viele Mythen rund um die Gebärdensprache und die Gehörlosenkultur gibt, weil in den Schulen gar nicht darüber gesprochen wird o_O Also wollte ich einen kurzen Einblick geben in dass, was ich in meinen ersten Semestern gelernt habe.

  1. Gebärdensprache ist nicht international

Es gibt nicht die eine Gebärdensprache, die alle Gehörlosen lernen, sondern es gibt genauso viele Gebärdensprachen wie gesprochene Sprachen bzw Lautsprachen. Da ich in Deutschland lebe, lerne ich die Deutsche Gebärdensprache (kurz DGS), in Amerika gibt es die Amerikanische Gebärdensprache (American Sign Language: ASL) und in Großbritannien die Britische Gebärdensprache (British Sign Language: BSL), um nur einige zu nennen. Es gibt auch Dialekte, wie bei Lautsprachen, aber das ist ein anderes Thema 😉 .

  1. Nicht alle Gehörlosen können Lippenlesen

Natürlich haben Gehörlose in ihrem Leben mit vielen Problemen zu kämpfen, zum Beispiel mit hörenden Menschen, die nicht gebärden können. Wenn sie dann nicht mal schriftlich mit dem Gegenüber kommunizieren können, versuchen sie sich anzupassen, und das tun sie auch durch Lippenlesen. Aber das kann ihnen nicht helfen, immer alles zu verstehen. Tatsächlich kann man nur etwa 20 % eines Gesprächs verstehen, wenn man nur auf die Lippen schaut. Das liegt daran, dass die meisten unserer Vokale gleich aussehen, weil der Klang oft in unserem Mund mit den Zähnen, der Zunge und anderen Organen erzeugt wird. Deshalb reicht es eben nicht aus, wenn eine gehörlose Person ein Gespräch nur über das Lippenlesen erlebt. Dabei ist aber auch jeder anders, einige können dadurch mehr verstehen, andere weniger. Es gibt sogar einen gehörlosen Fußballfan, die die Schimpfwörter der deutschen Fußballtrainer im Fernsehen verstehen kann, obwohl die eben immer nur zusehen und nicht zuhören sind und darüber twittert xD Aber man muss bedenken, dass nicht jeder ein solches Talent hat. Also wenn du nicht gebärden kannst, versuche, deine Worte aufzuschreiben, wenn du mit einer gehörlosen Person kommunizierst.

  1. Gehörlose Menschen KÖNNEN Auto fahren

Es ist sehr seltsam, darüber zu sprechen, weil mir dieser Gedanke nie in den Sinn gekommen ist, aber ich erinnere mich, dass ich im ersten Semester oft danach gefragt wurde. Die Leute wollten wissen, wie Gehörlose Auto fahren oder ob sie es überhaupt dürfen! Vielleicht kommt das daher, dass man als Autofahrer weiß, wie wichtig Geräusche sein können. Ich selbst habe keinen Führerschein, aber ich sehe, wie mein Mann jedes Mal das Radio leiser stellt, wenn er Warnlichter sieht, damit er sich besser konzentrieren kann. Gehörlose Menschen haben jedoch kein Problem mit dem Autofahren und können den Führerschein machen wie alle anderen auch. Das einzige Problem, von dem uns einer unserer Professoren erzählt hat, ist das Hören von Sirenen. Aber Gott sei Dank gibt es Warnlichter, so dass es meistens keine große Sache ist 😉 .

  1. Die Gebärdensprachen benutzt nicht nur die Hände zur Kommunikation

Das erste, woran man denkt, wenn man Gebärdensprache hört, sind vielleicht die Dolmetscher aus dem Fernsehen. Man denkt daran, dass man sie in den kleinen Kästen sieht, wenn die Reden live ausgestrahlt werden, aber das, woran man sich später erinnert, ist nur die Bewegung der Hände, richtig? Aber bei den Gebärdensprachen geht es nicht nur darum. Um sich mitzuteilen, verwenden Gehörlose eine Menge Gesichtsausdrücke, Erzähltechniken und in einigen Gebärdensprachen (wie der deutschen DGS) ist auch das sogenannte Mundbild, das die Lippen formen, wichtig. Diese Kombination ist einer der Gründe, warum Gebärdensprachen so komplex sind, und mein Mann wollte, dass ich das auch erwähne 😉 .

Ich denke, das ist genug für heute^^
Wenn ihr noch Fragen habt, könnt ihr sie gerne in den Kommentaren stellen!
Liebe Grüße
The Mad Hattress

Januar 18

Gebärdensprachen an der Universität studieren

Image shows hands that spell "The Mad Hattress" in german sign language.

Hey Freunde aus dem Wunderland, ich bin ENDLICH in meinen Semesterferien! In Deutschland ist ein Semester etwa 6 Monate lang, aber nur 3-4 davon sind mit Kursen gefüllt, die anderen Monate sind frei zum Schreiben von Klausuren oder zum Arbeiten. Da ich regelmäßig arbeite, werde ich sie hauptsächlich zum Schreiben, aber auch zum Entspannen nutzen 😉 Und ich habe mir überlegt, worüber ich hier auf meinem Blog schreiben könnte. Da ich in meinen Briefen auf Slowly oft gefragt werde, wie das Gebärdensprachstudium genau abläuft, habe ich beschlossen, einen Beitrag dazu zu schreiben!

Ich habe im Winter 2018 angefangen Gebärdensprachen zu studieren, es war einer von zwei möglichen Bachelorstudiengängen. Der zweite wäre Gebärdensprachdolmetschen gewesen, was im Grunde nicht nur theoretisches Wissen über die Gehörlosen Gemeinschaft und so ist, sondern auch eine Ausbildung zum Dolmetscher im Studium. Das ist der größte Unterschied zwischen den beiden Studiengängen. Beim Studium der Gebärdensprachen geht es im Allgemeinen mehr um Linguistik und darum, wie eine Sprache im Gehirn verarbeitet wird.

Es ist ein sehr neuer und seltener Studiengang, deshalb kann man ihn auch nicht an jeder Universität in Deutschland studieren. Die drei größten sind Berlin, Köln und Hamburg. Ich habe mich für Hamburg entschieden, deshalb kann ich nur sagen, wie es dort ist, vielleicht ist es an den anderen Universitäten anders. In Hamburg wird man im Grunde ins kalte Wasser geworfen xD Das heißt, dass die ersten Kurse, die man hat, Sprachlernkurse sind, die von einem gehörlosen Professor gehalten werden. Die ersten paar Male saßen zwei Dolmetscher mit uns im Raum und haben uns geholfen, wichtige Fragen zu stellen, technische Sachen und Informationen, welche Bücher man kaufen sollte, solche Sachen. Aber danach sind sie nicht mehr da und wir mussten buchstäblich mit allem, was wir haben, kommunizieren xD

Wie sieht also ein Gebärdensprachkurs aus? Es gibt nicht viele Bücher zum Nachschlagen und nur eine sehr alte Software mit Videos, die man benutzen kann. Meistens hat der Professor ein bestimmtes Thema, eine Reihe von Wörtern, wie zum Beispiel Essen, oder eine bestimmte Gebärdensprachtechnik, die er uns beibringen will, und dann hält er eine Präsentation darüber. Er gebärdet jedes Wort, wir versuchen, es nachzuahmen, und wenn wir es können, verwenden wir die Gebärden in einem Satz. Immer und immer wieder, bis wir es auswendig gelernt haben. Die ersten Dinge, die wir gelernt haben, waren Begriffe und Komzepte rund um die Familie. Ich kann mich noch erinnern, dass ich damals mit meinen Mitstudenten über meine Familienmitglieder, ihre Namen und ihre Berufe gebärdet habe. Das ist eine tolle Möglichkeit, Leute kennenzulernen, die mir damals völlig fremd waren xD

Two pictures showing a a women signing "Hamburg" in german sign language.
Die Deutsche Gebärde für “Hamburg” vorgetragen von: https://signdict.org/entry/294-hamburg/video/2125

Neben den Sprachkursen hatten wir auch Vorlesungen über die Gehörlosenkultur und darüber, was Gehörlosigkeit neben dem Verlust des Gehörs mit sich bringt. Diese Vorlesungen wurden auch von einem gehörlosen Professor gehalten, aber sie wurden komplett gedolmetscht, nicht nur die ersten paar Sitzungen xD Das hat vor allem zwei Gründe, zum einen sind die Hörsäle sehr groß und wenn man in der letzten Reihe sitzt, kann man den gebärdenden Professor nicht wirklich sehen(zumindest nicht gut genug um ihn auch problemlos zu verstehen). Der zweite Grund ist, dass die Vorlesungen im Allgemeinen für alle Studenten der Universität zugänglich sind und auch Studenten aus anderen Fakultäten die Möglichkeit haben sollten, sie zu hören. Die Dolmetscher hatten also Mikrofone und haben die gesamten 90 Minuten mitgesprochen.

In späteren Semestern begann ich, mehr sprachwissenschaftliche Kurse zu belegen, Studien über die Verarbeitung von Gebärdensprache im Gehirn zu lesen, sie mit gesprochenen Sprachen zu vergleichen, aber auch verschiedene Gebärdensprachen miteinander zu vergleichen. Ich lernte, welche wissenschaftlichen Forschungsmethoden es gibt, was ein EGG ist zum Beispiel 😛 Diese Kurse wurden meistens von hörenden Forschern in gesprochener Sprache gehalten, ich schätze, sie in Gebärdensprache zu halten, hätte es noch schwieriger gemacht, zu folgen xD

Jetzt, wo ich mehr oder weniger in der Mitte meines Bachelorstudiums stecke, habe ich meistens spezielle Kurse, um bestimmte Dinge zu lernen. Dieses Semester hatte ich einen Psychologiekurs in Gebärdensprache und habe sogar mein erstes Referat über Angst in der Deutschen Gebärdensprache (DGS) gehalten. Ich hatte auch einen Kurs über Kinematographie, in dem es im Grunde darum ging, wie man Filmszenen in Gebärdensprache beschreibt. Super interessant, ich kann nur empfehlen, sich Videos darüber auf YouTube anzuschauen, wenn man sich dafür interessiert!

So, jetzt habt ihr mal einen kleinen Einblick bekommen, wie das Studium der Gebärdensprache in Deutschland aussieht. Es ist ein bisschen schwierig, weil es so wenige Materialien gibt, mit denen man lernen kann. Das Lernen ist sehr intuitiv, wenn man sich Dinge schnell merken kann, ist man im Vorteil. Aber ich würde nicht sagen, dass es sich nicht lohnt, es zu versuchen, wenn man da Probleme hat 😉 Ich habe so viel über die Gehörlosengemeinschaft gelernt, Dinge, die eigentlich in die Schule gehören. Und auch wenn das Erlernen der Gebärdensprache schwer war und ich noch viel üben muss, hat es auch Spaß gemacht.

Wenn ihr Fragen zur Gebärdensprache habt, könnt ihr sie gerne in den Kommentaren stellen und ich werde versuchen, sie so gut wie möglich zu beantworten^^
Liebe Grüße
The Mad Hattress
PS. Ich gebe euch eine vollständige Tabelle des Alphabets der deutschen Gebärdensprache, so dass ihr, wenn ihr wollt, euren Namen gebärden könnt 😉

Image of diffrent hands showing the alphabet in german sign language.