Gebärdensprachen an der Universität studieren
Hey Freunde aus dem Wunderland, ich bin ENDLICH in meinen Semesterferien! In Deutschland ist ein Semester etwa 6 Monate lang, aber nur 3-4 davon sind mit Kursen gefüllt, die anderen Monate sind frei zum Schreiben von Klausuren oder zum Arbeiten. Da ich regelmäßig arbeite, werde ich sie hauptsächlich zum Schreiben, aber auch zum Entspannen nutzen 😉 Und ich habe mir überlegt, worüber ich hier auf meinem Blog schreiben könnte. Da ich in meinen Briefen auf Slowly oft gefragt werde, wie das Gebärdensprachstudium genau abläuft, habe ich beschlossen, einen Beitrag dazu zu schreiben!
Ich habe im Winter 2018 angefangen Gebärdensprachen zu studieren, es war einer von zwei möglichen Bachelorstudiengängen. Der zweite wäre Gebärdensprachdolmetschen gewesen, was im Grunde nicht nur theoretisches Wissen über die Gehörlosen Gemeinschaft und so ist, sondern auch eine Ausbildung zum Dolmetscher im Studium. Das ist der größte Unterschied zwischen den beiden Studiengängen. Beim Studium der Gebärdensprachen geht es im Allgemeinen mehr um Linguistik und darum, wie eine Sprache im Gehirn verarbeitet wird.
Es ist ein sehr neuer und seltener Studiengang, deshalb kann man ihn auch nicht an jeder Universität in Deutschland studieren. Die drei größten sind Berlin, Köln und Hamburg. Ich habe mich für Hamburg entschieden, deshalb kann ich nur sagen, wie es dort ist, vielleicht ist es an den anderen Universitäten anders. In Hamburg wird man im Grunde ins kalte Wasser geworfen xD Das heißt, dass die ersten Kurse, die man hat, Sprachlernkurse sind, die von einem gehörlosen Professor gehalten werden. Die ersten paar Male saßen zwei Dolmetscher mit uns im Raum und haben uns geholfen, wichtige Fragen zu stellen, technische Sachen und Informationen, welche Bücher man kaufen sollte, solche Sachen. Aber danach sind sie nicht mehr da und wir mussten buchstäblich mit allem, was wir haben, kommunizieren xD
Wie sieht also ein Gebärdensprachkurs aus? Es gibt nicht viele Bücher zum Nachschlagen und nur eine sehr alte Software mit Videos, die man benutzen kann. Meistens hat der Professor ein bestimmtes Thema, eine Reihe von Wörtern, wie zum Beispiel Essen, oder eine bestimmte Gebärdensprachtechnik, die er uns beibringen will, und dann hält er eine Präsentation darüber. Er gebärdet jedes Wort, wir versuchen, es nachzuahmen, und wenn wir es können, verwenden wir die Gebärden in einem Satz. Immer und immer wieder, bis wir es auswendig gelernt haben. Die ersten Dinge, die wir gelernt haben, waren Begriffe und Komzepte rund um die Familie. Ich kann mich noch erinnern, dass ich damals mit meinen Mitstudenten über meine Familienmitglieder, ihre Namen und ihre Berufe gebärdet habe. Das ist eine tolle Möglichkeit, Leute kennenzulernen, die mir damals völlig fremd waren xD
Neben den Sprachkursen hatten wir auch Vorlesungen über die Gehörlosenkultur und darüber, was Gehörlosigkeit neben dem Verlust des Gehörs mit sich bringt. Diese Vorlesungen wurden auch von einem gehörlosen Professor gehalten, aber sie wurden komplett gedolmetscht, nicht nur die ersten paar Sitzungen xD Das hat vor allem zwei Gründe, zum einen sind die Hörsäle sehr groß und wenn man in der letzten Reihe sitzt, kann man den gebärdenden Professor nicht wirklich sehen(zumindest nicht gut genug um ihn auch problemlos zu verstehen). Der zweite Grund ist, dass die Vorlesungen im Allgemeinen für alle Studenten der Universität zugänglich sind und auch Studenten aus anderen Fakultäten die Möglichkeit haben sollten, sie zu hören. Die Dolmetscher hatten also Mikrofone und haben die gesamten 90 Minuten mitgesprochen.
In späteren Semestern begann ich, mehr sprachwissenschaftliche Kurse zu belegen, Studien über die Verarbeitung von Gebärdensprache im Gehirn zu lesen, sie mit gesprochenen Sprachen zu vergleichen, aber auch verschiedene Gebärdensprachen miteinander zu vergleichen. Ich lernte, welche wissenschaftlichen Forschungsmethoden es gibt, was ein EGG ist zum Beispiel 😛 Diese Kurse wurden meistens von hörenden Forschern in gesprochener Sprache gehalten, ich schätze, sie in Gebärdensprache zu halten, hätte es noch schwieriger gemacht, zu folgen xD
Jetzt, wo ich mehr oder weniger in der Mitte meines Bachelorstudiums stecke, habe ich meistens spezielle Kurse, um bestimmte Dinge zu lernen. Dieses Semester hatte ich einen Psychologiekurs in Gebärdensprache und habe sogar mein erstes Referat über Angst in der Deutschen Gebärdensprache (DGS) gehalten. Ich hatte auch einen Kurs über Kinematographie, in dem es im Grunde darum ging, wie man Filmszenen in Gebärdensprache beschreibt. Super interessant, ich kann nur empfehlen, sich Videos darüber auf YouTube anzuschauen, wenn man sich dafür interessiert!
So, jetzt habt ihr mal einen kleinen Einblick bekommen, wie das Studium der Gebärdensprache in Deutschland aussieht. Es ist ein bisschen schwierig, weil es so wenige Materialien gibt, mit denen man lernen kann. Das Lernen ist sehr intuitiv, wenn man sich Dinge schnell merken kann, ist man im Vorteil. Aber ich würde nicht sagen, dass es sich nicht lohnt, es zu versuchen, wenn man da Probleme hat 😉 Ich habe so viel über die Gehörlosengemeinschaft gelernt, Dinge, die eigentlich in die Schule gehören. Und auch wenn das Erlernen der Gebärdensprache schwer war und ich noch viel üben muss, hat es auch Spaß gemacht.
Wenn ihr Fragen zur Gebärdensprache habt, könnt ihr sie gerne in den Kommentaren stellen und ich werde versuchen, sie so gut wie möglich zu beantworten^^
Liebe Grüße
The Mad Hattress
PS. Ich gebe euch eine vollständige Tabelle des Alphabets der deutschen Gebärdensprache, so dass ihr, wenn ihr wollt, euren Namen gebärden könnt 😉